Ulrich Hahn (von links), Astrid Sterzel und Wolfgang Rüter-Ebel fordern die Politiker auf, wenigstens Kinder und Jugendliche aus den Flüchtlingslagern an der griechisch-türkischen Grenze aufzunehmen.

Pro-Asyl will helfen, sofort

Schwarzwälder Bote, 13.03.2020 Text und Foto Birgit Heinig

Ulrich Hahn vom Arbeitskreis legt die Kopien vor. Ein Brief ging an Oberbürgermeister Jürgen Roth, mit der Erinnerung, dass sich Villingen-Schwenningen im Oktober 2019 als eine von inzwischen 140 Städten zum sicheren Hafen für Flüchtlinge und mit den Zielen der Aktion "Seebrücke" solidarisch erklärte. Der Brief endet mit den Worten: "Wir bitten Sie, (...) gegenüber den politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit die Bereitschaft der Stadt Villingen-Schwenningen zur Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu erklären". Ein ähnlich lautendes Schreiben erreichte Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit der Bitte um Unterstützung und dem Hinweis auf bereits vier baden-württembergische Städte, die diese Bereitschaft bereits signalisierten. Und Bundesinnenminister Horst Seehofer wurde schriftlich aufgefordert "Ihre Blockadepolitik auf Kosten von Kindern und Jugendlichen sofort zu beenden und eine sofortige Übernahme nach Deutschland in die Wege zu leiten".

Die Liste der Unterzeichner ist lang. Ulrich Hahn, Refugio-Geschäftsführerin Astrid Sterzel und der evangelische Dekan Wolfgang Rüter-Ebel sind sich als Vertreter der 19 unterzeichnenden Organisationen – von den Kirchen über Hilfsorganisationen bis hin zum SPD-Ortsverein – einig darüber, dass dringend etwas geschehen muss. Die Zustände allein im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sind katastrophal und unmenschlich. Besonders Kinder und Jugendliche sind dort täglich sexueller, psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt, manche schon seit zwei Jahren.

"Wir haben Kinder von den griechischen Inseln in Behandlung, wir wissen, in welchem Zustand sie kommen". Astrid Sterzel vom Psychosozialen Behandlungszentrum "Refugio" stellt klar, dass darunter Kinder mit einem Resignationssyndrom sind, das Suizidgedanken, Selbstverletzung oder Apathie mit sich bringt und in einigen Fällen bereits unheilbar sein kann. "Wir machen ein bedingungsloses Angebot", sagt sie. Man werde sich um die Minderjährigen bei Refugio therapeutisch kümmern, wenn sie denn so schnell wie möglich bis in den Schwarzwald-Baar-Kreis gelangen.

Dekan Rüter-Ebel verweist auf die 2015 eingestellten Sozialarbeiter und das ehrenamtliche Netzwerk, das es seit dem letzten Flüchtlingsstrom in der Stadt gibt. "Da muss man doch einfach helfen und wir sind vorbereitet", sagt er. Was bei der Aufnahme jesidischer Frauen problemlos funktionierte, müsse doch auch für Kinder unter 14 und kranke Jugendlichen möglich sein.

Nicht nachvollziehen kann Ulrich Hahn, dass der Antrag der Grünen auf Aufnahme von 5000 unbegleiteten Minderjährigen abgeschmettert wurde und man sich – die Zustimmungen des zuständigen Bundesministers vorausgesetzt – auf lediglich 1500 einigte.

"Das ist Humanität in homöopathischer Dosis".
Oberbürgermeister Jürgen Roth hat den Brandbrief vom Arbeitskreis Pro Asyl erhalten, sieht sich derzeit angesichts des Handlungsbedarfes in Sachen Coronavirus zeitlich nicht in der Lage, gegenüber den Medien dazu Stellung zu nehmen.