Sie gehören zum Team von Refugio VS: Von links: Dolmetscherin Souad Alawie, Veronikas Herz, Astrid Sterzel, Manfred Kiewald, Simone Pestre, Jhana von Stipelen und Ute Schwer. Foto: Schwarzwälder Bote

Hinter ihnen liegen Gewalt und Flucht

Schwarzwälder Bote, Birgit Heinig 18.10.2018

Villingen-Schwenningen. An diesem Samstag, 20. Oktober, wird das Jubiläum ab 15 Uhr im Muslenzentrum in Schwenningen gefeiert. Der Vorstand, das Team der Betreuer und Ehrenamtlichen und die Klienten werden über ihre Erfahrungen sprechen und einen Ausblick wagen, wie es weitergehen kann und sollte. Die Gründung von "Refugio Villingen-Schwenningen" 1998 durch den Arzt Ernst-Ludwig Iskenius und die Sozialtherapeutin Monika von Mirbach war eine Folge der grausamen Kriege in Ex-Jugoslawien, denen viele auch nach Deutschland entflohen. Der gemeinnützige Verein finanzierte sich von Beginn an aus Spenden, wurde von ehrenamtlicher Arbeit und Engagement getragen, beteiligte sich an politischen Diskussionen und wirbt seit seiner Gründung um Anerkennung. Daran hat sich bis heute nur wenig geändert. Obwohl Refugio VS von Fachkreisen, Behörden und der Politik inzwischen die größte Erfahrung in der dolmetschergestützten psychotherapeutischer Arbeit mit traumatisierten Geflüchteten – seit Gründung wurden 4000 Klienten behandelt – und eine spezielle Kompetenz im Umgang mit Kindern zuerkannt wird, fehlt nach wie vor eine grundlegende monetäre Wertschätzung. "Jeder Antrag auf finanziellen Zuschuss hat einen Pferdefuß", seufzt Astrid Sterzel, Geschäftsführerin seit 2013. Zwar steuert der Landkreis freiwillig einen jährlichen Betrag bei und die Stadt erlässt die Kaltmiete in der Schwedendammstraße – von einer beständigen Strukturfinanzierung für die notwendigen 400 000 Euro pro Jahr ist man gleichwohl weit entfernt. "Wir müssen uns beim Bund, beim Land und den Wohlfahrtsverbänden jedes Mal bewerben und wissen nie, ob wir die Unterstützung überhaupt und noch im laufenden Jahr bekommen", sagt Sterzel, deren Arbeit zu einem sehr großen Teil genau in dieser Antragstellerei liegt. Dabei stelle sie immer wieder fest, "dass die meisten Geldgeber keine Ahnung haben, wie es in der Praxis läuft".

Krankenkassen bezahlen nur in Ausnahmefällen
Besonders unverständlich: Krankenkassen bezahlen psychologische Behandlungen nur in Einzelfällen und für einen Dolmetscher grundsätzlich nicht. Seit Beginn des "Arabischen Frühlings" im Dezember 2010 sind wieder unzählige Menschen auf der Flucht und suchen bei "Refugio" Hilfe. 40 Prozent von ihnen, so sagt die Statistik, leiden an Traumafolgestörungen, nicht alle sind behandlungsbedürftig. Der große Strom ist mittlerweile zwar abgeebbt, doch bei manchen Geflüchteten machen sich die Symptome erst nach zwei, drei Jahren bemerkbar.

Ärzte, Lehrer, Mitarbeiter von Sozialämtern, Kindergärtnerinnen oder Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe beobachten die Auffälligkeiten und leiten die Hilfsbedürftigen an die Fachstelle weiter. Längst gibt es eine Warteliste. Die Psychologin und Systemische Therapeutin Jhana von Stipelen, der psychologische Psychotherapeut Manfred Kiewald und die Sozialpädagogin Veronika Herz kümmern sich als Refugio-Angestellte, die Ärztinnen Marianne Kammerer-Hoch und Frauke Schmidt–Lange und die Therapeutinnen Katrin Norz-Kehrer, Susanne Schimmer und
Margarethe Lempp als Honorarkräfte um die seelisch Erkrankten. Zahlreiche Ehrenamtliche bringen sich ein. Die Behandlung von traumatisierten Menschen und ihre psychologische Betreuung, so sieht man es nicht nur bei Refugio VS, ist ein unverzichtbarer Baustein für eine gelingende Integration. An die Menschen heranzukommen und ihr Vertrauen zu gewinnen, ist indes schwer. "Traumatisierte können nicht einfach erzählen, was ihnen passiert ist und welche Probleme sie haben", weiß Astrid Sterzel vom Ringen um seelische Stabilität der Betroffenen. Scham oder die Angst vor Abschiebung tun ein Übriges. Beim Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) weiß man das inzwischen zwar und geht sensibler vor, dennoch müssen die Geflüchteten dort beweisen, dass sie psychisch krank sind. Eine Nachweispflicht, die man bei Refugio für "nicht haltbar" einstuft.
Daher trägt man hier auch Sorge um die politischen Pläne für Ankerzentren, in denen die Menschen isoliert – und damit ohne Betreuung oder gar Therapie – leben, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist.

Anlaufstelle für Menschen aus fünf Landkreisen
Refugio VS ist Anlaufstelle für Menschen aus fünf Landkreisen. 2017 wurden hier 192 Menschen ab 18 Jahre betreut, davon 97 aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. 40 Prozent waren zwischen 30 und 45 Jahre alt. Die Klienten kommen aus Afghanistan, Syrien, Libyen und dem Kosovo, aus Somalia, Eritrea oder der Türkei. Bei Refugio erfahren sie psychotherapeutische, soziale und wenn nötig fachärztliche Betreuung und die Begleitung beim Asylverfahren. Das kostet Geld. "Die Hilfe, die wir leisten, braucht Unterstützung", sagt Astrid Sterzel und spricht dabei auch im Namen der beiden Vereinsvorsitzenden Brigitte Güntter und Ruth Holtzhauer. Sie bitten um Unterstützung mit einer Spende, aber auch einer Vereinsmitgliedschaft oder einem ehrenamtlichen Engagement.


Sozialpädagogin Veronika Herz

Die Sozialpädagogin Veronika Herz im Gespräch mit einem Flüchtling aus Westafrika. Foto: Schwarzwälder Bote